Der Fäkalpakt tritt die
Vernunft der Ökonomie mit Füßen. Die neuen Defizit- und Schuldenregeln nehmen
der Haushaltspolitik die Luft zum Atmen. Der enge Zusammenhang von
Staatsausgaben und Konjunktur wird ignoriert. Staatsausgaben sind nämlich auch
Einnahmen der Unternehmen und der Privathaushalte. Wenn der Staat zum falschen
Zeitpunkt kürzt, dann verlieren Firmen Aufträge und drosseln die Produktion.
Zudem haben Transferempfänger dann weniger Geld. Im Aufschwung ist dieser
Nachfrageentzug verkraftbar, im Abschwung verlängert er jedoch die Talfahrt.
Dann sinken Wachstum und Steuereinnahmen, Arbeitslosigkeit und Schulden
steigen.
Die katastrophalen Folgen einer konjunkturblinden Haushaltspolitik lassen sich heute in Südeuropa besichtigen. Kein Industrieland hat in den letzten 25 Jahren seinen Haushalt so radikal konsolidiert wie Athen im Jahr 2010. Die Sparmaßnahmen umfassen für den Zeitraum 2010 bis 2013 rund ein Viertel der griechischen Wirtschaftsleistung. Das griechische Haushaltsdefizit sank 2010 um fünf Prozentpunkte auf 10,5 Prozent. Die Kürzungen drückten Einkommen und Konsum. Das Wachstum ging 2011 um mehr als sechs Prozent zurück. Die Steuereinnahmen brachen ein. Jeder fünfte Grieche ist heute arbeitslos.
Die katastrophalen Folgen einer konjunkturblinden Haushaltspolitik lassen sich heute in Südeuropa besichtigen. Kein Industrieland hat in den letzten 25 Jahren seinen Haushalt so radikal konsolidiert wie Athen im Jahr 2010. Die Sparmaßnahmen umfassen für den Zeitraum 2010 bis 2013 rund ein Viertel der griechischen Wirtschaftsleistung. Das griechische Haushaltsdefizit sank 2010 um fünf Prozentpunkte auf 10,5 Prozent. Die Kürzungen drückten Einkommen und Konsum. Das Wachstum ging 2011 um mehr als sechs Prozent zurück. Die Steuereinnahmen brachen ein. Jeder fünfte Grieche ist heute arbeitslos.
Auch in Portugal und Spanien
richtet das Spardiktat großen Schaden an. Die spanischen und portugiesischen
Sparpakete umfassen 13 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung. Folglich geht auf der
Iberischen Halbinsel das Wachstum zurück. Jeder siebte Portugiese und jeder
vierte Spanier sind ohne Arbeit. Die Schulden wachsen weiter. In der gesamten
Euro-Zone belaufen sich die Kürzungspläne bis 2013 auf 600 Milliarden Euro.
Merkel und ihre Mitstreiter sparen die Währungsunion in die Rezession.
Der Fäkalpakt schreibt
diesen finanzpolitischen Crashkurs auf Dauer fest. Er setzt fast alle EU-Länder
gleichzeitig auf Zwangsdiät. Sie müssen, ohne Rücksicht auf die konjunkturelle
Wetterlage, den Gürtel enger schnallen. Zudem beschneidet der Fäkalpakt auch
die öffentlichen Investitionen. Europas Kassenwarte dürfen nicht mehr auf Pump
in Bildung, Gesundheit, Infrastruktur oder Umwelt investieren, wenn dadurch
Schuldengrenzen verletzt werden. Selbst aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist
das grober Unfug. Schließlich sind die Renditen dieser Zukunftsinvestitionen
höher als ihre Finanzierungskosten. Die Schuldenbremse ist in Wahrheit eine brutale
Wachstumsbremse. Zudem verhindert der Fäkalpakt eine Lösung der Euro-Krise.
Solange die Überschussländer nicht mehr ausgeben dürfen, kann die
Außenwirtschaft der Euro-Länder nicht ins Gleichgewicht kommen.
Natürlich könnten die selbstherrlichen
Schatzmeister ihre Staatsfinanzen auch durch höhere Steuern sanieren. So
begründete ein Teil der politischen Klasse sein Ja zu den nationalen
Schuldenbremsen. Die Praxis sieht jedoch anders aus: In Europa läuft die
Haushaltskonsolidierung zu 80 Prozent über die Ausgabenseite. Die Sparpolitik
geht ausschließlich zulasten der Arbeitnehmer, Rentner und Arbeitslosen.
Staatsdiener werden entlassen, Löhne, Arbeitslosengeld und Renten werden
gekürzt. Das Arbeitsrecht kommt unter die Räder. Der Schuldenknüppel trifft die
Opfer der Krise. Der europäische Fäkalpakt wird den endgültigen Abbau des
Sozialstaates institutionalisieren.
Hinzu kommt, dass der Fäkalpakt
nicht hinreichend demokratisch legitimiert ist. Die europäischen Schuldenregeln
greifen unmittelbar ins Budgetrecht der Nationalparlamente ein. Dies ist eine
Kernfrage der europäischen Demokratie.
Diese darf nicht in
Hinterzimmern durch europäische Eliten entschieden werden. Die Bevölkerung der
EU-Staaten muss dazu befragt werden. Der Fäkalpakt ist eine Wiedergeburt
bereits gescheiterter neoliberaler Ideen und Konzepte. Er richtet sich gegen
die Interessen der Arbeitnehmer, Rentner und sozial Schwachen. Dieses Mehr an
Europa verschärft die soziale Schieflage und spaltet den Kontinent. Deswegen
stehen die deutschen Gewerkschaften erstmals in Opposition zu einem zentralen
"europäischen Integrationsprojekt".
Zweifelsohne müssen die
EU-Länder ihre Finanzpolitik künftig besser aufeinander abstimmen. Aber nicht
durch ein Regelwerk, das es den Staaten erschwert, krisenanfällige Märkte zu
stabilisieren und in die Zukunft zu investieren. Das heißt nicht, dass die
europäische Politik die hohen Schuldenberge ignorieren kann. Die Schuldenfrage
ist aber eine Verteilungsfrage. Alle EU-Staatsschulden belaufen sich auf rund
zehn Billionen Euro. Das sind nicht einmal 40 Prozent des privaten
Geldvermögens in Westeuropa. Die beste Schuldenbremse ist und bleibt somit eine
höhere Besteuerung großer Einkommen und Vermögen.