Lebendig begraben zu werden ist ohne Frage eine grässliche Vorstellung. Angeblich grausige Funde in Grüften und
von innen zerkratze Särge gefallener US-Soldaten tragen auch nicht gerade dazu
bei diese Art von Horror als völlig unbegründet erscheinen zu lassen.
Doch die Möglichkeit, dass unter bestimmten Bedingungen alle Lebenserscheinungen nur zum Schein auf ein Minimum reduziert sein können, ist leider real. Äußerlich lassen sich in solchen Fällen Atmung, Puls, Körperwärme und Reflexe kaum noch wahrnehmen, und es liegt stattdessen nur eine tiefe, unter Umständen langandauernde Bewusstlosigkeit vor.
Die Lebensprobe im Mittelalter
Und Berichte über irrtümliche Ausstellungen von
Todesbescheinigungen sowohl in der Fachpresse wie auch in den Medien sind auch
nicht eben selten. Fakt ist: Vorkommnisse dieser Art sind in der Regel auf eine
Verletzung der ärztlichen Sorgfaltspflicht zurückzuführen. In manchen Fällen
wirft der Leichenschauarzt eben nur einen flüchtigen Blick auf die leblose
Person und nimmt keinerlei Untersuchung vor. Ebenso kommt es vor, dass die
Todesbescheinigung nach den Auskünften der Angehörigen ausgestellt wird, ohne
die im Nebenzimmer liegende Person überhaupt untersucht zu haben. Schließlich
hat man hat es eilig und man kennt sich ja schon seit Jahrzehnten.
Doch die Möglichkeit, dass unter bestimmten Bedingungen alle Lebenserscheinungen nur zum Schein auf ein Minimum reduziert sein können, ist leider real. Äußerlich lassen sich in solchen Fällen Atmung, Puls, Körperwärme und Reflexe kaum noch wahrnehmen, und es liegt stattdessen nur eine tiefe, unter Umständen langandauernde Bewusstlosigkeit vor.
Für diesen Zustand, bei dem die Unterscheidung zwischen
Leben und Tod außerordentlich erschwert ist, wurde der Begriff Scheintod
geprägt.
Die Wiederbelebung
Gelingt es, in solchen Fällen durch sofort eingeleitete
fachmännische Behandlungsmaßnahmen die volle Wiederherstellung aller
Lebensfunktionen zu erreichen, dann hat der „Untote“ aber wirklich mehr Glück
als Verstand gehabt. Ereignisse dieser Art führen natürlich unweigerlich zu Geschichten,
in denen dann über die Erweckung eines Toten berichtet wird, doch in
Wirklichkeit handelte es sich um einen tief Bewusstlosen.
Die medizinischen Fachausdrücke „vita reducta“ und „vita
minima“ besagen, dass es sich beim Phänomen des Scheintods um einen auf das
äußerste verminderten Zustand menschlichen Lebens handelt. Zur zweifelsfreien Feststellung
von Lebenszeichen in diesen Situationen sind daher apparative Untersuchungen,
wie Ableitung von Hirn- und Herzströmen unbedingt notwendig.
Außerhalb des Krankenhauses hat die Definition des Todes als
Hirntod aber praktisch keinerlei Bedeutung. Überwiegend basiert die
Todesfeststellung auf den Nachweis des klinischen Todes mit irreversiblem Atem-
und Herzstillstand. Entscheidendes Kriterium für die Irreversibilität ist das
Sichtbarwerden sicherer Todeszeichen. Im Allgemeinen sind frühestens 15 bis 20
Minuten nach dem Todeseintritt die ersten Totenflecke zu erwarten, alle anderen
Todeszeichen erst erheblich später. Dabei bieten Totenstarre und späte
Leichenveränderungen dieselbe Zuverlässigkeit für die sichere Feststellung des
Todes.
Das gilt ebenfalls für schwere, äußerlich erkennbare
Verletzungen, wie vollständige Schädelzertrümmerung, Abtrennung des Kopfes oder
Rumpfdurchtrennung, die ein Weiterleben ausschließen. Das weiß allerdings
jeder.
Im Folgenden aber nun die fünf Anzeichen des Todes, welche weder
einzeln noch kombiniert das Ableben eines Menschen zweifelsfrei beweisen.
1) Abkühlung (nicht gleichzusetzen mit Leichenkälte),
2) Reflexlosigkeit, Reaktionslosigkeit der Pupillen,
3) Muskelschlaffheit,
4) Hautblässe,
5) Pulslosigkeit und Atemstillstand.
Diese Erscheinungen werden daher unsichere Zeichen des Todes
genannt.
Durch sogenannte Lebensproben wollte man früher als es noch
keine Apparatemedizin gab die Beweiskraft der unsicheren Todeszeichen erhöhen.
Um den Atemstillstand nachzuweisen wurde empfohlen, einen Spiegel vor Mund und
Nase zu halten. Blieb ein Beschlagen aus, so meinte man damit den Beweis für
den Atemstillstand erbracht zu haben. Zum selben Zweck wurde eine Feder
vorgehalten, Seifenschaum aufgebracht oder ein randvoll gefülltes Wasserglas
auf de Brustkorb gestellt. Das Erliegen der Herz-Kreislauf-Funktion sollte
beispielsweise durch die Siegellackprobe festgestellt werden. Man tropfte heißen Siegellack auf die Haut
und beobachtete, ob sich eine Hautrötung entwickelte. Doch diese Methoden waren
natürlich unsicher. Die Gefahr, dass der Scheintod (vita minima) nicht erkannt
wurde, wurde durch sämtliche Lebensproben die zur zweifelsfreien Feststellung des
Todes führen sollten in keiner Weise beseitigt.
Die große Angst vor dem Lebendig-Begrabenwerden im Zustand
des Scheintodes vor allem im Mittelalter resultierte nicht zuletzt auch aus den
Fehldeutungen von sechs bekannten Leichenerscheinungen die auf den Friedhöfen
jener Zeit mitunter häufiger zu beobachten waren. Die sich nach der Beisetzung zersetzenden
und oft wieder ans Tageslicht gelangten Leichen bewegten sich, vergossen
blutähnliche Flüssigkeiten, schmatzten und knirschten mit den Zähnen,
Körperhaare und Nägel wuchsen angeblich weiter. Doch der Zerfallsprozess eines
menschlichen Körpers beinhaltet eben auch diese Erscheinungen.
1) Der Tote „schwitzt“ – in Wirklichkeit Kondenswasser auf
der abgekühlten Leiche.
2) Die Lage der Leiche verändert sich – in Wirklichkeit
verursacht durch Eintreten und Lösen der Totenstarre, später durch Fäulnis.
3) „Totenlaute“ (Stöhnen oder Seufzer) sind zu hören – in
Wirklichkeit eine Leichenerscheinung, bedingt durch das Hochrücken des
Zwerchfells infolge Fäulnisgasansammlung im Bauchraum mit Entweichen von Luft
durch die Stimmritze.
4) Die Aufrichtung des männlichen Gliedes – in Wirklichkeit
Fäulnisgasansammlung im Gewebe der äußeren Geschlechtsorgane.
5) Die Leiche lässt eine „ganz frische Haut“ und „neue
Nägel“ erkennen – in Wirklichkeit Ablösung der Oberhaut zusammen mit den Nägeln
infolge Fäulnis, so dass die rosig und feucht wirkende Lederhaut bzw. die
Nagelbetten freiliegen.
6) Eine verstorbene Schwangere „gebärt“ im Sarg ihr Kind –
in Wirklichkeit kommt eine sogenannte Sarggeburt durch einen starken
Fäulnisgasdruck im Bauchraum zustande, der ebenso einen Kotabgang an der Leiche
bewirken kann.
Bei all den Schauerlichkeiten bleibt im Grunde nur die
Hoffnung übrig, dass heutzutage der allgemeine medizinische Kenntnisstand des örtlichen
Leichenbeschauers hinsichtlich des Scheintodes höher einzuschätzen ist, als die
Angst selbst einmal zum Opfer einer nicht vorschriftsmäßig durchgeführten Leichenschau
zu werden. Zudem finde ich persönlich, dass das islamische Gebot (Tagesgenaue
Bestattung) noch am Sterbetag zu bestatten, ein ungleich höheres Risiko in sich
birgt lebendig begraben zu werden, als wenn man mindestens 48 Stunden wartet,
wie in den meisten europäischen Ländern gesetzlich vorgeschrieben.