Ich bin dann mal weg
Ich habe es hinter mir, ich bin draußen. Adieu, Fortuna, ich
grüße Euch. Nichts mehr habe ich mit Euch zu schaffen. Haltet nun einen anderen
zum Narren.
Tod eines Rasers
Ich, Florus, liege hier, der Wagenlenker. So schnell wollte
ich fahren, so schnell stürzte ich in den Abgrund.
Hymne an das Leben
Bäder, Wein und Venus richten unseren Körper zugrunde. Doch
Bäder, Wein und Venus richten unseren Körper auf.
Grab eines begeisterten Arbeiters
Hier liege ich, Lemiso. Erst der Tod hat mich vom
Arbeitsleben erlöst.
Die Grabinschrift eines Schauspielers, der unzählige Male
den Tod gespielt hat, aber noch nie so – realistisch.
Hier liegt Leburna, der Meister der Schauspielkunst, der
nahezu hundert Jahre alt wurde. Wie oft bin ich in dieser Zeit gestorben! Doch
so noch nie! Ich wünsche Euch da oben gute Gesundheit.
Man kommt eh nicht aus (beschwörende Gesten inklusive)
He, Du, der Du vorübergehst, komm mal her. Ruh dich einen
Moment aus. Du schüttelst den Kopf? Willst Du etwa nicht? Na ja, am Ende wirst
Du ja doch hier landen.
Der Tod hat so seine Vorteile
Hier ruhen in Frieden meine Knochen. Das, was vom Menschen
bleibt. Hunger leid’ ich nicht mehr, kein Zipperlein plagt mich. Und ich muss
keine Ratenzahlungen mehr leisten. Außerdem wohne ich kostenfrei.
Gelassen gehen
Nach einem würdigen Alter rufen mich, reich an Jahren, die Götter.
Kinder, weshalb weint ihr?
Plötzlich aus dem Leben gerissen
Für Caius Tadius Severus, der mit fünfunddreißig Jahren von
Banditen überfallen wurde.
Für Philomenus und Eutika, die sich gesund zum Schlafe
niederlegten und dann tot, einer in den Armen des anderen, gefunden wurden.
Tod bei der Geburt
Geburt und die Niedertracht des Schicksals sind Grund für
meinen Tod. Du aber, mein Geliebter Gefährte, hör auf zu weinen und heb Deine
Liebe für unseren Sohn auf, denn mein Geist ist nun zu den Sternen des Himmels
aufgestiegen.
(Rusticeia Matrona wurde nur fünfundzwanzig Jahre alt.)
Die Sonne hat mich geraubt
Jetzt reicht’s aber
Ich wurde genug beweint. Auch der Schmerz muss ein Ende
haben. Was helfen im Tod all die Klagen?
Hier liegt Ephesia, gute Mutter und Ehefrau. Sie starb an
einem bösen Fieber, das ihr die Ärzte beibrachten, ohne es im Zaum halten zu
können. Nach diesem Verbrechen gibt es nur einen Trost: Diese wunderbare Frau
wurde vom Tod geraubt, weil die Götter ihre Gesellschaft suchten.
Calliste lebte sechzehn Jahre, drei Monate, sechs Stunden.
Sie hätte sich am 15. Oktober verheiraten sollen, doch sie starb am 11.
Lucius Cecilius Libertus, ein Freigelassener von Caius
Lucius Florus, lebte sechzehn Jahre und sieben Monate… Wer auf dieses Grab
pisst oder kackt, wird die Götter in der Höhe und in der Unterwelt erzürnen.
Hintergründe der römischen Grabinschriften:
Im Gegensatz zu unserer Zivilisation traten die Römer mit
ihren Grabinschriften in einen Dialog mit den noch Lebenden. Während wir auf
den Gräbern in der Regel einen traurigen Segensspruch für den Toten anbringen,
taten die Römer genau das Gegenteil: Sie ließen stattdessen den Toten zu Wort
kommen. Das hat auch mit der Lage der Friedhöfe zu tun. Römische Nekropolen
waren nämlich nicht umfriedet und somit vom Rest der Welt abgeschieden wie
unsere heutigen Friedhöfe: Die Gräber lagen vielmehr an den meistbenutzten
Straßen, die ins jeweilige Stadtzentrum führten, und gehörten somit zu der Welt
der Lebenden. Daher der Dialog zwischen Lebenden und Toten. Der Tote wandte
sich also nicht an seine Verwandten, sondern an die Vorübergehenden.
Diese römischen Toten muss man sich daher ein bisschen so
vorstellen wie die alten Männer und Frauen, die in südlichen Ländern – meist
schwarz gekleidet – vor den Hauseingängen sitzen und das Leben kommentieren,
sobald jemand vorübergeht.
Und noch einen Grund gab es, warum die Römer die Gräber so
sehr „vermenschlichten“: Sie glaubten, dass nach dem Tod die Seele des
Verstorbenen weiter um sein Grab kreist. Es gab ja mangels christlichen Glauben
noch kein echtes „Jenseits“(ob nun Paradies, Hölle oder Fegefeuer), sondern nur
die graue Welt der Toten, den Hades. Dort wandern kalte, bleiche Seelen durchs
Halbdunkel (sechstes Buch der Aeneis, das vom Abstieg des Aeneas in die Welt
der Toten berichtet). Das Elysium, die Insel der Seeligen, war ja nur für
wenige Helden gedacht, die das Glück hatten, dort die unsterblichen Heroen der
Vergangenheit kennenzulernen.
Die Epitaphe spiegeln also meist die Persönlichkeit des
Toten wider und schlagen manchmal einen romantischen, dann wieder einen
sarkastischen Ton an. Manchmal zeigen sie einen Humor, der die Jahrhunderte
überdauert hat und auch uns Heutigen ein Schmunzeln abringt.