Samstag, 2. März 2013

Ich bin dann mal weg

Grabinschriften, welche Archäologen in den verschiedenen Gegenden des römischen Reiches gefunden haben. Die meisten hat Lidia Storoni Mazzolani gesammelt.

Ich bin dann mal weg
Ich habe es hinter mir, ich bin draußen. Adieu, Fortuna, ich grüße Euch. Nichts mehr habe ich mit Euch zu schaffen. Haltet nun einen anderen zum Narren.

Tod eines Rasers
Ich, Florus, liege hier, der Wagenlenker. So schnell wollte ich fahren, so schnell stürzte ich in den Abgrund.


Hymne an das Leben
Bäder, Wein und Venus richten unseren Körper zugrunde. Doch Bäder, Wein und Venus richten unseren Körper auf.



Grab eines begeisterten Arbeiters
Hier liege ich, Lemiso. Erst der Tod hat mich vom Arbeitsleben erlöst.



Die Grabinschrift eines Schauspielers, der unzählige Male den Tod gespielt hat, aber noch nie so – realistisch.

Hier liegt Leburna, der Meister der Schauspielkunst, der nahezu hundert Jahre alt wurde. Wie oft bin ich in dieser Zeit gestorben! Doch so noch nie! Ich wünsche Euch da oben gute Gesundheit.



Man kommt eh nicht aus (beschwörende Gesten inklusive)
He, Du, der Du vorübergehst, komm mal her. Ruh dich einen Moment aus. Du schüttelst den Kopf? Willst Du etwa nicht? Na ja, am Ende wirst Du ja doch hier landen.



Der Tod hat so seine Vorteile
Hier ruhen in Frieden meine Knochen. Das, was vom Menschen bleibt. Hunger leid’ ich nicht mehr, kein Zipperlein plagt mich. Und ich muss keine Ratenzahlungen mehr leisten. Außerdem wohne ich kostenfrei.



Gelassen gehen
Nach einem würdigen Alter rufen mich, reich an Jahren, die Götter. Kinder, weshalb weint ihr?



Plötzlich aus dem Leben gerissen
Für Caius Tadius Severus, der mit fünfunddreißig Jahren von Banditen überfallen wurde.



Für Philomenus und Eutika, die sich gesund zum Schlafe niederlegten und dann tot, einer in den Armen des anderen, gefunden wurden.



Tod bei der Geburt
Geburt und die Niedertracht des Schicksals sind Grund für meinen Tod. Du aber, mein Geliebter Gefährte, hör auf zu weinen und heb Deine Liebe für unseren Sohn auf, denn mein Geist ist nun zu den Sternen des Himmels aufgestiegen.
(Rusticeia Matrona wurde nur fünfundzwanzig Jahre alt.)



Die Sonne hat mich geraubt



Jetzt reicht’s aber
Ich wurde genug beweint. Auch der Schmerz muss ein Ende haben. Was helfen im Tod all die Klagen?



Hier liegt Ephesia, gute Mutter und Ehefrau. Sie starb an einem bösen Fieber, das ihr die Ärzte beibrachten, ohne es im Zaum halten zu können. Nach diesem Verbrechen gibt es nur einen Trost: Diese wunderbare Frau wurde vom Tod geraubt, weil die Götter ihre Gesellschaft suchten. 



Calliste lebte sechzehn Jahre, drei Monate, sechs Stunden. Sie hätte sich am 15. Oktober verheiraten sollen, doch sie starb am 11.



Lucius Cecilius Libertus, ein Freigelassener von Caius Lucius Florus, lebte sechzehn Jahre und sieben Monate… Wer auf dieses Grab pisst oder kackt, wird die Götter in der Höhe und in der Unterwelt erzürnen.
       


Hintergründe der römischen Grabinschriften:

Im Gegensatz zu unserer Zivilisation traten die Römer mit ihren Grabinschriften in einen Dialog mit den noch Lebenden. Während wir auf den Gräbern in der Regel einen traurigen Segensspruch für den Toten anbringen, taten die Römer genau das Gegenteil: Sie ließen stattdessen den Toten zu Wort kommen. Das hat auch mit der Lage der Friedhöfe zu tun. Römische Nekropolen waren nämlich nicht umfriedet und somit vom Rest der Welt abgeschieden wie unsere heutigen Friedhöfe: Die Gräber lagen vielmehr an den meistbenutzten Straßen, die ins jeweilige Stadtzentrum führten, und gehörten somit zu der Welt der Lebenden. Daher der Dialog zwischen Lebenden und Toten. Der Tote wandte sich also nicht an seine Verwandten, sondern an die Vorübergehenden.
Diese römischen Toten muss man sich daher ein bisschen so vorstellen wie die alten Männer und Frauen, die in südlichen Ländern – meist schwarz gekleidet – vor den Hauseingängen sitzen und das Leben kommentieren, sobald jemand vorübergeht.

Und noch einen Grund gab es, warum die Römer die Gräber so sehr „vermenschlichten“: Sie glaubten, dass nach dem Tod die Seele des Verstorbenen weiter um sein Grab kreist. Es gab ja mangels christlichen Glauben noch kein echtes „Jenseits“(ob nun Paradies, Hölle oder Fegefeuer), sondern nur die graue Welt der Toten, den Hades. Dort wandern kalte, bleiche Seelen durchs Halbdunkel (sechstes Buch der Aeneis, das vom Abstieg des Aeneas in die Welt der Toten berichtet). Das Elysium, die Insel der Seeligen, war ja nur für wenige Helden gedacht, die das Glück hatten, dort die unsterblichen Heroen der Vergangenheit kennenzulernen.
Die Epitaphe spiegeln also meist die Persönlichkeit des Toten wider und schlagen manchmal einen romantischen, dann wieder einen sarkastischen Ton an. Manchmal zeigen sie einen Humor, der die Jahrhunderte überdauert hat und auch uns Heutigen ein Schmunzeln abringt.