Donnerstag, 29. März 2012

Die Sache mit den Hexen

Versucht man dieser Sache auf den zu Grund gehen, dann kommt man nicht umhin, festzustellen, dass Hexen wohl seit jeher Personen sind, die anscheinend über ganz besondere Fähigkeiten verfügen. Doch woher kommt der Hexenkult eigentlich? Nicht gesicherten Überlieferungen zufolge waren es wohl bronzezeitliche, maternale Naturreligionen, die sich aus dem steinzeitlichen Schamanismus entwickelt haben. Schamanismus - ein Boden also - auf dem besagter Hexenkult prächtig gedeihen konnte.

Ein anthropologisches weltweit verbreitetes Charakteristikum des Schamanismus ist ja bekanntermaßen die tranceerzeugende Musik, die durch das stetige Schlagen der Trommel hervorgerufen wird. Der Trommelschlegel soll dabei sozusagen als Vehikel dienen, um darauf hinüber in die Geisterwelt zu reiten.Aus diesem steinzeitlichen Ritt auf dem Trommelschlegel hat sich vermutlich die Vorstellung eines auf einer Zaunlatte reitenden, zumeist weiblichen oder weibischen Zauberwesens entwickelt.

Doch woher kommt das Wort Hexe eigentlich?


Die Wurzeln des deutschen Wortes Hexe finden sich im westgermanischen Sprachraum: mittelhochdeutsch hecse, hesse, althochdeutsch hagzissa, hagazussa. Die genaue Bedeutung des Wortes ist allerdings ungeklärt. Der erste Teil von hagazussa kommt wahrscheinlich aus dem Althochdeutschen hag (Zaun, Hecke, Gehege), der zweite ist möglicherweise mit germanisch/norwegisch tysja (Elfe, böser/guter Geist) und litauisch dvasia (Geist, Seele) verwandt, also vermutlich ein auf Hecken oder Grenzen befindlicher Geist. Eine andere Herleitung versteht zussa als „sitzen“, so dass eine hagazussa eine auf oder in der Hecke sitzende Person bezeichnen könnte (Zaunweib). Dieser Theorie folgend, wäre die Hexe also ein auf Zäunen oder Hecken sitzendes Wesen. Historisch gesehen macht diese Übersetzung durchaus Sinn, da im Mittelalter der Zaun oder die Hecke das Dorf und die Dorfbewohner von umgebenden Wäldern schützte. Zäune galten als Grenzen zwischen Menschen und Dämonen.

Im abendländischen Kulturkreisen werden Hexen zumeist als furchterregende, bucklige und hässliche Personen dargestellt. Verantwortlich dafür sind aber in erster Linie die Gebrüder Grimm, welche durch ihre vielen Druckerzeugnisse dieses Bild auf das Nachhaltigste geprägt haben.
Denn die Hexen in den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm sind stets böse alte Frauen, die auf einer Krücke gestützt umherschleichen. Sie leben alleine in einem Häuschen im Walde und besitzen übernatürliche Fähigkeiten. Ihre Körper sind meist gelb und ausgemergelt, ihre Hände dürr und knochig. Die Augen sind rot und stechend und auf ihrer riesigen Nase sitzt die obligatorische Warze. Ihre Stimmen sind schnarrend und ihr Lachen ist böse und höhnisch. In über 50 Märchen der Brüder Grimm, einem Drittel aller Kinder- und Hausmärchen gehört dieses Hexenbild zum festen Inventar. Attribute dieser Art sind zum festen Inventar der Märchenhexen geworden und haben somit ihr Bild geprägt.
Charakteristisch für die Hexen im Märchen ist auch ihr angeblich kannibalisches Wesen. Hexen in den Märchen der Brüder Grimm haben kannibalische Züge, die sie in ihrem Vorhaben vorantreiben, Kindern aufzulauern, Menschen zu zerstückeln und zu verspeisen, und sie wie im Märchen „Hänsel und Gretel“ vorher noch zu mästen. Was für ein hanebüchener Unsinn!

Doch auch das Christentum, wohlgemerkt eine Religion, die die Nächstenliebe propagiert hat alles dafür getan, um diese Frauen auf das Schändlichste zu diskriminieren und zu töten. Was durch das Gottverständnis der mittelalterlichen Christenheit diesen armen Frauen alles angetan wurde ist schier unerträglich. Damit begann das Zeitalter der schrecklichen legalen Hexenverfolgungen. Die Römisch-katholische Kirche steht auch heute noch der Hexerei wie auch anderen Formen der Magie und Zauberei ablehnend gegenüber. Dem Katechismus der Katholischen Kirche zufolge verstoßen derartige Praktiken schwer gegen die Tugend der Gottesverehrung.

Heutzutage sehen aber die meisten Menschen die Sache lockerer und sind für gewöhnlich frei von Ressentiments. Und das ist auch gut so. Jedoch einen Nachteil hat die Nichtverfolgung von Hexen und die damit einhergehende gesellschaftliche Annerkennung auch in unserer heutigen Zeit. Hexen, man höre und staune, sollen nun endlich auch Steuern bezahlen.
So geschehen jedenfalls in Rumänien, jenem liebenswerten Land im Südosten der EU, das zugleich ein Hort uralter Legenden ist. Denken wir nur an den allseits bekannten Chefvampir Graf Dracula. Das rumänische Finanzamt beruft sich auf eine vor einem Jahr erlassene EU-Richtlinie, welche das sein soll, wird allerdings nicht verraten, um zukünftig eine Hexensteuer erheben zu können. In Rumänien soll es etwa 4000 dieser hauptberuflich tätigen Hexen geben. Denn Okkultismus ist in Rumänien viel weiter verbreitet als anderswo. Politiker stehen offen zur Konsultation von Astrologen, die Anwesenheit von Wahrsagerinnen bei Firmenmeetings ist ebenso keine Seltenheit. Fast jeder im Land hat schon den einen oder anderen Liebeszauber gebucht oder sich dank der Dienstleisterinnen mit verstorbenen Angehörigen unterhalten.
Doch die Hexen wollen diese neue Art von Steuer nicht bezahlen. Sie reagierten wütend auf die neue EU-Richtlinie und drohten bereits mit ernsthaften Konsequenzen. Die „Financial Times Deutschland“ berichtet von der „Weissmagischen Königien“. Die rumänische Hexe habe bisher regelmäßig geheime Rituale abgehalten, damit das Land von Naturkatastrophen verschont bleibe. Offenbar will sie aber nun darauf verzichten – aus Protest gegen die Steuer.

Vor der Abstimmung im Parlament hat es angeblich sogar offene Drohungen gegen Politiker gegeben. Eine Hexe soll erklärt haben, sie habe bereits einen „Fluch“ vorbereitet. Zudem werde sie eine Zauber-Mixtur aus schwarzem Pfeffer, Hefe und Paprika im Parlament verstecken. Ob die rumänischen Hexen der Aufforderung der Regierung nachgekommen sind und heute artig ihre Steuern bezahlen, entzieht sich meiner Kenntnis.
Würde mich aber nicht wundern, wenn dem Okkultismus verfallene rumänische Finanzbeamte hier und da lieber ein Auge oder gleich mehrere zudrücken. Denn wer will sich schon die geballte Wut von 4000 wütenden Hexen aufhalsen. Da könnte der Hals bald sehr trocken werden.

http://www.freitag.de/community/blogs/bambulie/die-sache-mit-den-hexen#comment-386147

http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,737664,00.html